Von Los Angeles nach Las Vegas, okay. Aber laufen? 550 Kilometer nonstop? Wer bitte, macht so etwas und warum? Antwort: Lauf-Enthusiasten aller Klassen. SPORTaktiv ist auch dabei.

Du musst verrückt sein

Du musst verrückt sein. Oder: Wahnsinn, geiles Projekt. Es gibt eigentlich nur diese beiden Reaktionen, wenn man vom „Speed Project“ erzählt. Warum? Weil es von Los Angeles nach Las Vegas geht. Nonstop, rund 550 Kilometer, großteils durch die Mojave-Wüste. Laufend wohlgemerkt. Ja, das klingt verrückt. Ist es auch, selbst wenn man nicht alles selbst bestreitet, nur einer in einem Team von Zehn ist und „nur“ rund 55 Kilometer zu absolvieren hat. Einer davon übrigens: Klaus Höfler, unser „Mann fürs Grobe“.

  • The Speed Project 4.0 - SPORTaktiv © Gernot Eder
  • The Speed Project 4.0 - SPORTaktiv
  • The Speed Project 4.0 - SPORTaktiv © Gernot Eder

Vom Novizen bis zum Hawaii-Slot-dekorierten Triathleten

Er hatte die Idee zur Teilnahme und mich ins Team eingeladen. Ein anderer: Markus Rogan. Österreichs erfolgreichster Schwimmer aller Zeiten, mehrfacher Welt- und Europameister und Weltrekordhalter, der heute als Psychotherapeut in Los Angeles lebt und arbeitet. Die anderen sieben – Lauf-Aficionados aller Leistungsstufen. Vom Novizen bis zum Hawaii-Slot-dekorierten Triathleten ist alles dabei. Alle zehn betreten wir mit dem Speed Project Neuland.

JERICH International

Unser Sponsor: JERICH International

Da wird es psychologisch und gruppendynamisch spannend

Neben rund 30 Grad Celsius bei Tag und frostigen 0 Grad bei Nacht, streunenden Hunden und Klapperschlangen erwarten uns Sonnenaufgänge in der Wüste, endlose Weiten, absolute Stille. Vor allem aber: ein gruppendynamisches Erlebnis der Extraklasse. 42 bis 50 Stunden planen wir für die Strecke ein. Einer läuft, die anderen fahren im Pick-up oder Wohnmobil mit. „Zehn Leute auf engem Raum, alle erschöpft – da wird es psychologisch und gruppendynamisch spannend“, sagt Experte Markus Rogan. Der nicht lange überlegen musste, ob der an dem Projekt teilnimmt. „Fünf Sekunden, um Ja zu sagen, 4 Minuten und 55 Sekunden, um mich zu fragen ob ich tatsächlich verrückt genug dafür bin.“

Markus Rogan © Markus Rogan Instagram

Auch mit dabei im Team Austria: Markus Rogan

Im Trend: Laufen wird sozialer

Für alle im „Team Austria“ steht eines im Vordergrund: der gemeinschaftliche Aspekt. Laufen nicht stur für sich, sondern in der Gruppe. Einer für alle, alle für einen. „Ich würde einige EM-Titel geben, um eine Staffelmedaille mehr zu haben. Das ist ein wunderschöner Erfolg und man kann ihn viel mehr genießen“, sagt auch Rogan. Schon im Training schlägt das durch. Wenn es wo zwickt, kommt sofort der Gedanke: „Ich kann die anderen nicht hängen lassen.“ Die Überwindung zum Training gelingt noch leichter. Schon in der Frühphase haben sich im bunt zusammengewürfelten Team Trainingsgemeinschaften gebildet. Zusammen laufen, das Projekt besprechen, in der Gruppe etwas erleben. Geteilte Freud ist doppelte Freud. Schaut man sich 2018 in der Lauf-Community um, spricht mit Veranstaltern, Händlern, Läufern, ist eines feststellbar: Laufen wird sozialer, es wird ein Teil des sportlichen Lebens, neben dem aber auch Tennis, Fitness, Fußball Platz haben. Überspitzt formuliert könnte man sagen: Unser Speed Project ist die extremste Ausformung des aktuellen Lauftrends.

NICESHOPS

Unser Sponsor: NICESHOPS

Team Austria: Die ersten und einzigen Österreicher beim Speed Project 4.0

Was uns freut: Dass wir unter 40 Teams aus 20 Nationen das einzige aus Österreich sind. Dass wir bei der erst vierten Auflage dieses Rennens überhaupt als erste Österreicher am Start stehen werden, wenn am Karfreitag um 4 Uhr früh am Santa Monica Pier der Startschuss fällt. Erfunden hat den Lauf übrigens ein gebürtiger Deutscher. Nils Arend, der schon lange in den USA lebt, wollte etwas Außergewöhnliches schaffen. Abgehoben vom Wettkampfgedanken geht es ihm nicht um Gewinner, sondern darum ein, Erlebnis zu schaffen, von dem alle Teilnehmer profitieren. „Überall wird uns das Leben einfacher gemacht. Die Autositze werden immer noch komfortabler, in den Einkaufszentren gibt es immer noch mehr Rolltreppen, damit man möglichst ohne Aufwand von Geschäft zu Geschäft kommt“, sagte Arend im Interview mit dem „Undo Magazin“ jüngst. „Dabei macht uns das schwächer. Körperlich und mental.“

Die Komfortzone verlassen (müssen)

Das Speed Project solle dagegen eine tiefe Erfahrung von Gemeinschaft kreieren. Wir werden dabei unsere Komfortzone verlassen. Verlassen müssen. Denn es geht nicht nur darum, möglichst schnell einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ein Begleitfahrzeug muss gesteuert werden, ein Wohnmobil. Kochen, planen, andere massieren, motivieren, verarzten. All das erwartet uns auf dem Weg zum „Welcome to Fabulous Las Vegas“- Schild. Auch wenn alle 50 bis 70 Kilometer pro Woche trainieren, auch wenn es einen Technik-Tüftler gibt, der die GPS-Geräte mit der Route füttert, einen Einsatzplaner, auch wenn, auch wenn, auch wenn. Es wird etwas passieren, mit dem wir nicht gerechnet haben. Regeln? Gibt es keine. Offizielle Route? Fehlanzeige. Start und Ziel sind vorgegeben, der Rest ist Freestyle. Es wird ein elementarer Kampf mit Wüste, Wind und Wetter. Verrückt oder geil? Kann ich noch nicht sagen. Aber wenn ichs weiß, seid ihr die Ersten, die es erfahren!

Von Klaus Molidor | Erschienen im SPORTaktiv Magazin Februar 2018